Nepal ist ein fantastisches Reiseland, nicht nur für Extrembergsteiger, die es jährlich zu den eisgepanzerten Gipfeln der Achttausender zieht, sondern auch, nein, gerade für Bergwanderer. Vom ambitionierten Trekker bis zum Genusswanderer kommen alle auf ihre Kosten. Nicht zu vergessen Kulturreisende die in die Mystik des Buddhismus und Hinduismus eintauchen wollen. Die Kunstschätze der Königsstädte bieten dem kunsthistorisch interessierten Reisenden ein reiches Betätigungsfeld und dem Bergwanderer oder Trekker ein interessantes Rahmenprogramm für die Tage vor oder nach dem Trekking.
Einer der „Klassiker“ und auch eines der beliebtesten Trekkinggebiete Nepals ist die Region um die fünf Annapurnagipfel. Schon früh erschlossen, insbesondere durch die Salzwege von Tibet und die Pilgerpfade nach Muktinath, die eine hervorragende Basis für Trekkingrouten bilden, wird die Route durch das Kali Gandaki-Tal oft scherzhaft als „apple-pie-trek“, Apfelkuchen-Trek’ bezeichnet.
Die Annapurna-Umrundung
Der Name Annapurna leitet sich ab aus „anna“ im Sanskrit der Name für Nahrung und „purna“ in der Bedeutung von ‚erfüllt sein von’. (Daraus ergibt sich zusammen die Bedeutung der „Annapurna“ als „Nahrung spendende Göttin“).
Der Annapurna-Himal ist zwischen Dhaulagiri und Manaslu eingebettet. Im Westen wird er durch das tiefe Tal des Kali Gandaki vom Dhaulagiri getrennt. Im Osten ist das Marsyangdi-Tal die Grenze zum Manaslu-Himal. Nördlich finden wir den Damodar-Himal, der bis zur Grenze nach Tibet reicht.
In der Geschichte des Alpinismus steht die Annapurna als erster Achttausender, der von Menschen bestiegen wurde. Maurice Herzog und Louis Lachenal standen am 3. Juni 1950 erstmals auf dem Gipfel eines über achttausend Meter hohen Berges. Seither blieb die Annapurna einer der gefährlichsten Achttausender. Auf weniger als drei erfolgreiche Besteigungen kommt ein Todesfall. Die Lawinengefahr gilt als das größte Risiko und wurde selbst einem so renommierten Bergsteiger wie Anatoli Bukrejew zum Verhängnis.
In den letzten Jahren hat die klassische Annapurna-Umrundung deutliche Veränderungen erfahren. Der Straßenbau hat sowohl im Marsyangdi-Tal als auch im Kali Gandaki tiefe Wunden in der Landschaft hinterlassen. Dazu kommt, der für das Land sicher notwendige Bau des Wasserkraftwerkes Marsyangdi Hydropower.
Zum Glück gibt es inzwischen die „NATT“ (Natural Annapurna Trekking Trails), die neue Wege abseits der Straße markieren. Jeder der sich auf die Annapurna-Umrundung vorbereitet ist gut beraten sich damit zu beschäftigen und sofern er bei Agenturen oder lokalen Führern bucht auf diesen Wegen zu bestehen.
Der klassische AC (Annapurna-Circuit) erfolgt gegen den Uhrzeigersinn. Von Besisahar führt die Route an den Talflanken des Marsyangdi talaufwärts zur Schlüsselstelle und Übergang ins Kali Gandaki Tal, dem 5416 m hohen Thorung La (La = Pass).
Die „Straße“ oder besser Piste erlaubt es nun unterschiedlich weit zu fahren. Man sollte jedoch stets die notwendige Akklimatisation/Höhenanpassung im Auge behalten.
Klassisch beginnt man in Besisahar das man mit Bus oder Jeep in 6-7 Std. von Kathmandu kommend erreicht. An den Talflanken des Marsyangdi geht es zunächst in subtropischer Landschaft in 6 Tagen hinauf nach Braga, oder etwas weiter nach Manang. (3519 m) Das durchwandern verschiedener Vegetationszonen ist einer der Reize dieser Wanderung. Nach strohgedeckten Häusern, Bananenstauden am Wegesrand und der ohrenbetäubenden Geräuschkulisse der Zikaden geht es durch immer lockerer werdenden Bergwald in eine aride Hochgebirgslandschaft, dort deuten Steinhäuser mit Flachdächern aus Lehm auf die Lage im Monsunschatten hin.
Spätestens in Braga oder Manang ist ein Akklimatisationstag angesagt. Es bietet sich ein Ausflug zum Ice-Lake unterhalb der Gangapurna an oder ein Besuch im Kloster, mit etwas Glück kann man an einer Puja, einer buddhistischen Gebetszeremonie teilnehmen.
Zunehmender Beliebtheit erfreut sich ein Abstecher zum Tilicho Lake, für den allerdings 2-3 Tage zusätzlich einzuplanen sind. Ob die Lodge dort geöffnet ist sollte man vorher erfragen.
Von Braga aus erreicht man in 2 Tagen, über Yak-Kharka (4016 m) und Letdar (4200 m), Thorong-Phedi (4450 m) das Basislager vor dem Pass, oder noch ca. 400 m höher das sogenannte „High Camp“.
Die Überquerung des Thorong-La
Die Überquerung des 5416 m hohen Thorung-La ist bedingt durch die Höhe eine echte Herausforderung und, da es außer Umkehr keine Alternative gibt, auch eine mentale Belastung. Technisch bietet der Pass bei optimalen Voraussetzunge und weitgehender Schneefreiheit keinerlei Probleme, es ist Gehgelände für trittsichere Wanderer. Grade wegen der vermeintlich einfachen Verhältnisse muss ich an die Katastrophe von 2014 erinnern. In einem Schneesturm verloren über 40 Menschen, Nepali und Touristen ihr Leben. Das Hochgebirge birgt objektive Gefahren und ein vermeintlich einfacher Pass kann bei mangelnder Ausrüstung und Unterschätzung der potentiellen Risiken zur tödlichen Falle werden.
Wir hatten das Glück, nach zwei Tagen Schnee und Regen, den Pass unter optimalen Bedingungen, mit wenig Schnee, in Angriff zu nehmen.
Meine Eindrücke dieses Tages möchte ich aus meinem Buch „Unter Gebetsfahnen, Trekking und Reiseerlebnisse in Nepal“ * zitieren:
Halb acht Uhr morgens, strahlend blauer Himmel, soweit das Auge reicht. Noch spürt keiner den eiskalten Wind, der uns aus dem Kali Gandaki-Tal
entgegenschlägt. Wir sind überglücklich. Unter unseren Füßen der Thorong-La, 5416 m hoch, die Königsetappe der Annapurna-Umrundung.
Unser Blick schweift weit, über das Panorama namenloser Sechstausender, bis zu den Gipfeln des Annapurna-Massivs. Bald werden wir auch die Eisriesen
Dhaulagiri und Niligiri sehen. Hinter dem Horizont, nur noch zwei Tagesetappen weit, das verbotene Königreich Mustang.
Wir umarmen uns. In einer Woge von Glück, Zufriedenheit und immer noch ein wenig Staunen, dass wir es tatsächlich geschafft haben, saugen wir die
Landschaftsbilder in uns auf. Ganz selbstverständlich freuen sich unsere Sherpas und Träger mit uns, als wäre es auch für sie das einmalige Erlebnis, das wir empfinden, und nicht harte
Arbeit.
Im Zeitraffer erleben wir noch mal den Weg der letzten zehn Tage, . . .
Der Ausblick ist atemberaubend, im Sinne des Wortes. Denn von der anderen Talseite fegt uns ein kräftiger Wind ins Gesicht, nimmt uns fast die Luft zum Atmen. Wir ziehen uns auf der Passhöhe wieder etwas zurück bis zu der Steinpyramide, die einen Fahnenmast hält. Unzählige bunte Gebetsfahnen peitschen im Wind, bilden einen wohltuenden Kontrast im stechenden Weiß der Schnee- und Eislandschaft um uns herum.
Wir folgen einem alten Brauch und legen, wie viele vor uns, auch einen Stein auf die Pyramide. Das soll nicht nur Glück bringen, sondern auch die Götter gnädig stimmen. Wir glauben gerne daran. Nicht ganz eine Stunde bleiben wir hier oben. Wir saugen uns voll mit den Landschaftsbildern, fotografieren. In einem Anfall von Heißhunger futtere ich aus meinem Rucksack die gesamte Tagesration und was ich sonst noch essbares finden kann. Schweren Herzens machen wir uns an die 1700 m Abstieg nach Muktinath.
Abstieg nach Muktinath
Muktinath - Heiligtum und Wallfahrtsort für Hindus und Buddhisten. Die ewige Flamme im Tempel, gespeist durch Austritt von Naturgas, brennt auf Wasser. Brahma soll durch das Entzünden des Feuers auf dem Wasser die unvereinbaren Elemente verbunden haben.
Einhundertacht heilige Quellen, jede in einem Eberkopf aus Bronze gefasst, bieten den Pilgern einen erfrischenden Trunk und Gelegenheit für ein rituelles Bad zur Reinigung von Sünden und zu spiritueller Befreiung.
Am nächsten Tag wandern wir auf einer staubigen Piste hinab ins Kali Gandaki Tal. Unterwegs besuchen wir Jharkot, das Kloster und einen tibetischen Amchi (Heiler). Station ist dann das mittelalterliche Kagbeni. Dort ist auch das Tor und der Kontrollposten zum „verbotenen Königreich Lo“ (Upper Mustang). Es sollte noch einige Jahre dauern bis wir uns auch diesen Traum erfüllten.
Am nächsten Tag kann man bequem Jomsom erreichen und von dort am frühen Morgen des Folgetages nach Pokhara ausfliegen. Wir setzen unsere Wanderung talauswärts fort und erreichen 3 Tage später Tatopani, das bedeutet wörtlich übersetzt „heißes Wasser“ besser heiße Quellen, die zu einem wohltuenden Bad einladen. Unterwegs passieren wir schmucke Dörfer wir Marpha, bekannt für seine Apfelplantagen und Tukuche auf dem Weg in das enger werdende Tal.
Noch einmal steht uns ein schweißtreibender Anstieg bevor. Etwa 1700 m beträgt die Höhendifferenz von der Talsohle des Kali Gandaki zum Dorf Gorepani, am Fuß des wohl bekanntesten Aussichtshügels in Nepal, dem Poon Hill (3210 m). Unzählige Steinstufen erfordern aufmerksames Gehen. Zum Glück gibt es immer wieder kleine Ortschaften und Teehäuser die zur Rast und Erfrischung, oder auch einer Zwischenübernachtung einladen.
Das Panorama zum Sonnenaufgang auf dem Poon Hill, -eine Rundumsicht vom Dhaulagiri über die Nilgiris, zu den Annapurnas und dem berühmten Fischschwanz Machapuchare- muss man mit vielen anderen Trekkern teilen. Nur wenige Kilometer abseits der Hauptrouten kann man das gleiche Erlebnis in Bergeinsamkeit genießen. Solchen Alternativen und „Stillen Pfaden“ habe ich ein ganzes Kapitel in meinem Buch* gewidmet.
Der letzte Tag ist noch mal ein Härtetest, insbesondere für die Knie! Treppen, Treppen und noch mal Treppen führen von Gorepani hinab nach Birethanti und nach Naya Pul an der Straße nach Pokhara. Wer im Frühjahr unterwegs ist wird rund um Gorepani durch das Naturschauspiel der Rhododendronblüte entschädigt. Lali Gurans, wie die Nationalblume in Nepal genannt wird, wächst und gedeiht nicht nur als Busch, wie bei uns, es sind mächtige Bäume, mehrere Meter hoch. Ganze Wälder bedecken die Berge und lassen die Landschaft in Purpur-Rot bis Rosa erscheinen!
Wir haben noch einmal im Birethanti übernachtet, Erfolg und Abschied mit unseren Trägern gefeiert und sind am nächsten Tag, mit einem Zwischenstopp in Pokhara, nach Kathmandu zurückgefahren. Insgesamt waren wir 18 Tage unterwegs (ab und bis Kathmandu).
Bei späteren Reisen haben wir immer, wenigstens einen Tag in Pokhara am Phewa See verbracht, einfach um auszuspannen und die Tour ausklingen zu lassen.
Der Vollständigkeit halber sei noch mal darauf hingewiesen dass das Kali Gandki Tal heute mit dem Bus oder Jeep, bis hinauf nach Muktinath befahren werden kann. Ab Jomsom soll die Strecke jetzt geteert sein, im unteren Teil ist die Piste noch in einem eher abenteuerlich zu nennenden Zustand. Zweifellos ist die Busfahrt ein Erlebnis der besonderen Art.
Ergänzungen und Alternativen zur Annapurna Runde
Man kann von Gorepani aus noch das Annapurna Basecamp anschließen. Ein Bergkessel, am besten als Amphitheater der Berge zu beschreiben. Die Rundschau auf 4100 m Höhe, umgeben von 7000 bis über 8000 m hohen schneebedeckten Gipfeln ist grandios. Am Ausgang des Talkessels der Hiunchuli und sein langer Grat zur Annapurna-Süd. Auf den Fang (7647 m) auch Bharha Chuli genannt folgt das mächtige Massiv der Annapurna I mit zwei Nebengipfeln ebenfalls über 8000 Meter. Auf der Kammlinie schließen sich die eisgepanzerten Gipfel des Roc Noir (Khangsar Kang 7485 m) und weiter des Glacier Dome (Tarke Kang 7193 m) an. Es folgen Gangapurna (7455 m) und Annapurna III (7555 m) und schließlich der Machapuchare auf der anderen Talseite des Modi Khola. Etwa 10 Tage wären dafür zu veranschlagen.
Das Kali Gandaki Tal kann als eigenständiger Trek begangen werden, je nach Anspruch mit Flug nach, oder von Jomsom. Attraktive Side-Trips etwa ins Bön Dorf Lupra, zum Titi-See oder eine Schnuppertour in die bereits tibetisch geprägten Dörfer Jhong, Chongur und Putak in Upper Mustang.
Wer stille Pfade sucht kann sich mit dem Khopra Danda Trek vertraut machen oder auch Mardi Himal. Beides Routen die auch von Gruppen der Reisebüros noch kaum frequentiert werden.
Mehr auch dazu in meinem Buch „Unter Gebetsfahnen, Trekking und Reiseerlebnisse in Nepal“*.
Auf Zeitangaben für einzelne Etappen habe ich bewusst verzichtet, da diese häufig individuell sehr unterschiedlich ausfallen.
Über den Autor:
Klaus Hessenauer ist im fränkischen Rothenburg o/T geboren und lebt im Saarland. Schon immer war er zusammen mit seiner Frau Anne gerne zu Fuß unterwegs. Ob in den Mittelgebirgslandschaften des heimischen Saarlands und im nahen Pfälzer Wald, ob Hüttentouren in den Dolomiten, ob auf Wanderinseln wie Teneriffa oder Madeira, oder den Westalpen. Seit 20 Jahren zieht es ihn immer wieder nach Nepal und die Berge des Himalaya. Zu Fuß von Nepal nach Tibet, zum Götterthron Kailash, über Ostnepal zur Teestadt Darjeeling und zum Kanchendzönga oder in die einzigartige Kultur Bhutans, immer ist Nepal gleichsam ein Scharnier und Basislager auch für Unternehmungen in den umliegenden Himalayaländern.
Klaus ist auch Autor des Buches „Unter Gebetsfahnen Trekking und Reiseerlebnisse in Nepal“ Kein klassischer Reiseführer, eher ein Reiseverführer betont er.
Taschenbuch 240 Seiten, ISBN: 978-3-7431-9529-5, überall wo es Bücher gibt
Info und Bestellung auch beim Autor direkt: https://unter-gebetsfahnen.de/
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