Miriam ist mit ihren neun Jahren schon unglaublich viel gereist und war schon in über 20 Ländern – ein Meilenstein, den ich erst mit über 25 Jahren erreicht habe. Es ist toll, dass wir mit unserem deutschen Pass die Möglichkeit haben, all diese Erfahrungen zu machen. Oft hat sie aber in anderen Ländern – und vor allem in Nepal, wo wir ja lange gelebt haben – auch schon Armut, Umweltprobleme und Naturzerstörungen gesehen und erlebt. Mir ist es sehr wichtig, dass sie versteht, dass diese nicht isoliert zu betrachten sind, sondern dass in der heutigen Welt einfach alles zusammenhängt. Wir haben jetzt mit dem "Atlas der Globalisierung" von "Le Monde diplomatique" ein tolles Buch gefunden, das uns beiden hilft diese Zusammenhänge ein wenig besser zu verstehen.
Der Atlas der Globalisierung
Der Atlas der Globalisierung mit dem passenden Untertitel „Welt in Bewegung“ ist in sieben Teile geteilt, die sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen. Hier geht es zum Beispiel um den Klimawandel, die demografischen Herausforderungen, Flucht und Migration und ungelöste Konflikte. Jeder Artikel fokussiert sich auf ein regionales Thema, welches allerdings oft stellvertretend für ein größeres, globales Problem steht.
Das Buch ist sicherlich kein Kinderbuch, ich habe mir aber mit Miriam ausgewählte Kapitel angeschaut, die für uns beide wirklich spannende und neue Informationen hatten, die es ermöglichen, globale Zusammenhänge ein wenig besser zu verstehen. Obwohl ich Geographie studiert habe, hat Miriam immer wieder Fragen an mich, die ich so ohne weiteres nicht beantworten kann. Im Atlas der Globalisierung haben wir Antworten auf viele dieser Fragen gefunden und uns neue Wissensgebiete gemeinsam erschlossen.
So haben wir zum Beispiel gelernt, dass Japan auf die Überalterung seiner Gesellschaft mit der Entwicklung von Pflege-Robotern reagiert – vielleicht auch eine Lösung für Deutschland? In einem Kapitel aus dem Abschnitt über den Kapitalismus haben wir darüber gelesen, warum Entwicklungsländer heutzutage immer öfters in der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt werden, wenn sie in Freihandelsabkommen gedrängt werden. Der rasende technologische Fortschritt erleichtert es auch nicht gerade, den Anschluss zu behalten und so sind neue und inklusivere Instrumente gefragt, um ein auseinanderdriften der Wirtschaften zu verhindern – ein spannender Gedanke in Zeiten von ausuferndem Protektionismus in Ländern wir den USA.
Besonders spannend und leider auch vertraut war für Miriam und mich das Kapitel über Arbeitsmigration aus den Philippinen. In Nepal ist dies nämlich auch Gang und Gäbe, und der Vater von Miriams bester Freundin arbeitet auch seit Jahren in Malaysia. Millionen von Gastarbeitern aus ärmeren Ländern sorgen weltweit dafür, dass der Laden läuft – und bezahlen oftmals einen hohen Preis dafür. Die Sozialstrukturen in den Heimatländern fallen oft auseinander, da ein Großteil der jungen Bevölkerung fehlt. Eine ganze Generation von Kindern wächst ohne Eltern auf, und die sozialen Systeme zur Alterssicherung greifen nicht mehr, da die Menschen fehlen. Und leider kommen die Gastarbeiter viel zu oft im Sarg wieder nach Hause, da die Arbeitsbedingungen oft nicht gut und sehr gefährlich sind. Auch wenn man dann erstmal denkt, in Deutschland gibt es sowas ja nicht, so wird durch die Lektüre des Atlas der Globalisierung schnell klar, dass heutzutage kein Kreuzfahrtschiff und Tanker mehr ohne philippinische Besatzung aus dem Hafen läuft – wir sind also durchaus Teil des Problems.
Kalte Luft – die Geschichte der Klimaanlage
Während wir gerade in der aktuellen Hitzewelle schwitzen, ist das Kapitel „Kalte Luft“ besonders aktuell (hier geht es zur Leseprobe). Hier wird sehr spannend und kurzweilig der Siegeszug der Klimaanlage beschrieben – und die Auswirkungen, die dies auf die Umwelt hatte. Gerade gestern noch hatte ich mit meiner Mutter darüber diskutiert, da es in unserer nicht klimatisierten Wohnung gerade kaum auszuhalten ist, und ja leider mit weiteren solcher Hitzesommern zu rechnen ist. Interessant war für mich, dass in dem Kapitel deutlich wird, dass eine Besiedlung wie sie heute in Bundestaaten wie Florida besteht, ohne die Klimaanlage gar nicht möglich gewesen wäre – und dass sogar die Geburtenverteilung sich durch die künstliche Kälte geändert hat. Während früher neun Monate nach den heißen Sommermonaten weniger Geburten zu verzeichnen waren, so ist dies jetzt nicht mehr so.
Der Atlas der Globalisierung von „Le Monde diplomatique“ gibt wirklich einen guten Einblick in heutige globale Herausforderungen und deren Zusammenhänge miteinander. Auch für mich als Geographin hatte jedes Kapitel neue Informationen, die in ansprechenden Grafiken und Übersichten sehr schön dargestellt sind. Das Buch hat 183 Seiten und kostet 18 Euro.
Ausgewählte Kapitel kann man auch wirklich gut mit Kindern lesen und besprechen, um die Globalisierung und all ihre Folgen – im positiven wie negativen – besser verstehen zu können. Denn um etwas kritisch hinterfragen zu können und eventuell anzupassen, muss es erstmal verstanden werden, und da werden unsere Kinder wohl die größte Rolle zu spielen haben.
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Birgitta Kuhn (Freitag, 19 Juli 2019 19:52)
Liebe Eva, vielen Dank für die Vorstellung dieses Atlas. Ich hatte bisher noch nicht davon gehört und es hört sich wirklich spannend an - lauter Themen, die die Welt, also uns, gerade bewegt. Den einen mehr, den anderen weniger. Ich finde es super, dass du es mit Miriam zusammen liest. Ich werde es mir bei Gelegenheit auch einmal anschauen und meinem Sohn, wenn er noch ein paar Jährchen älter ist, sicherlich auch zeigen.
Ana Freitas Solop (Montag, 22 Juli 2019 14:22)
Liebe Eva,
Ich habe gerade dein Blog gefunden. Bin Brasilianerin und wohne in Deutschland mit meinem 11 jährige Sohn. Du sprichst mir ganz oft aus der Seele und ich werde ab sofort dich und deine Miriam begleiten.
Foi muito bom ter te encontrado!!
Um abraco
Ana